Worauf kommt es jetzt an?
Nach der ursprünglichen Aufgabe 2011 Fördergelder zu verteilen, hat der Begriff INDUSTRIE 4.0 jetzt die Aufgabe die DIGITALE TRANSFORMATION zu standardisieren und zu normen, ohne die Innovationsfähigkeit der Maschinenhersteller zu beinträchtigen.
Ein Produktions- bzw. Fertigungsleiter ist Experte für die eingesetzten Technologien wie zum Beispiel fräsen, drehen, spritzgießen, schleifen, verzahnen, usw. Er ist auch Experte für Qualität und termingerechte Produktion. UND er ist Experte in der Menschenführung seiner Mitarbeiter. Er ist aber normalerweise kein IT-Experte! Wenn er sich eine neue Fräsmaschine, oder ähnliches kauft, dann will er die Maschine in seine Produktionshalle stellen, Strom anschließen, Druckluft anschließen, Kühlmittel anschließen und Netzwerkkabel anstecken. Er will sich aber nicht mit solchen Sachen beschäftigen wie RAMI 4.0, Verwaltungsschalte, OPC UA oder dem Unterschied zwischen MES und MOM! Er will sich einfach darauf verlassen können, dass der Datenaustausch mit seiner neuer Maschine steckerfertig verfügbar ist und stabil funktioniert. Er hat nämlich noch genug damit zu tun die Qualität zu prüfen, die seine neue Hochleistungsmaschine ermöglicht, bevor er sie abnimmt und die Zahlung freigibt.
Plug & Produce wäre deshalb der Traum eines jeden Produktionsleiters, dann hätte er ein Problem weniger. Dazu braucht es alle oben genannten Sachen, allerdings steckerfertig als INDUSTRIE 4.0-Komponente.
Hintergrund:
Ein allgemein in der Fertigung mit NC-Maschinen vorzufindendes
Problem war es, bzw. ist es immer noch, dass die
unterschiedlichen, an einem Fertigungsprozess beteiligten
Aggregate (NC-Maschinen, Werkzeugeinstellgeräte, Lagersysteme,
etc.) proprietäre Datenformate verwenden und eine
aggregatübergreifende Bereitstellung der Prozessdaten
regelmäßig sehr schwierig ist. Die Vernetzung eines historisch
gewachsenen Maschinenparks ist ein #Gefrickel und gleicht einem
Häuserkampf, der pro Maschine gewonnen werden muss. Zusätzlich
entstehen durch diesen babylonischen Sprachwirrwarr in einem
beliebig gemischten Maschinenpark unerklärliche Seiteneffekte,
die am Ort der Softwarenentwicklung nicht reproduzierbar sind!
Vision:
Als einfaches Erfolgsbeispiel kann die Druckerinstallation
dienen. Unter Windows XP, oder früher, war eine
Druckerinstallation immer ein ähnliches #Gefrickel. Zu Zeiten
von Windows 10 konfiguriert sich ein neu angesteckter Drucker
vollkommen selbst. („Plug and Play“).
Mit „Plug & Produce“ soll dieses Prinzip in die
Fabrikhallen übertragen werden, denn dadurch ließen sich
CNC-Maschinen und Fertigungsanlagen ebenso einfach in Betrieb
nehmen, weil sie sich quasi ebenso selbstständig konfigurieren
würden.
Umsetzung:
Damit die Vision „Plug & Produce“
Wirklichkeit werden kann, muss es gelingen, dass alle
Hersteller von vernetzungsfähigen Produkten (Assets) sich
zumindestens auf folgende 2 Punkte einigen:
1️⃣ OPC UA WIRD ALS INTEGRATIONS-FRAMEWORK ZUM STANDARD.
Unter dieser Prämisse entstehen zeitnah einheitliche OPC UA
Parametersätze (Companion Specifications), die die jeweiligen
fachspezifischen Rahmenbedingungen abdecken. Bislang fehlt in
der diskreten Fertigung jedoch noch das einheitliche Vokabular
dieser „Weltsprache der Produktion“. Andere Branchen sind da
bereits deutlich weiter.
2️⃣ DIE VERWALTUNGSSCHALE (Asset Administration Shell) WIRD ALS
ZENTRALER INTEGRATIONS-STECKER ZUM STANDARD und pro Asset mit
ausgeliefert.
Bislang fehlt jedoch die Bereitschaft der Hersteller.
Wenn nun durch Punkt 1 und Punkt
2 das Einsammeln von Rohdaten in einem beliebig
gemischten Brownfield stabil
gelingt,
dann müssen im Schritt 3 die Rohdaten mit KI bewertet und zur
Prozesssteuerung weiterverarbeitet werden.
Dazu müssen sich die MES zu MOM Systemen weiterentwickeln.
Begriffsdefinitionen:
•OPC UA steht für „Open
Platform Communications Unified Architecture“ und beinhaltet
eine Sammlung von Spezifikationen, die die Kommunikation im
Umfeld der Industrieautomation standarisiert. Ein neuartiger
und vielversprechender deutscher OPC UA Lösungsansatz zur
Maschinenvernetzung ist „umati“.
• Assets sind vernetzungsfähige Dinge
• Verwaltungsschale ist die digitale Repräsentation eines
physischen Assets
•I4.0-Komponenten sind Assets
mit Verwaltungsschale
•MOM ist die Abkürzung für
Manufacturing Operations Management und ist die Erweiterung
eines MES in Richtung IoT (Internet of Things)
Der Dreh- und Angelpunkt für „Plug & Produce“ ist die Verwaltungsschale. Sie enthält alle relevanten Informationen über das Asset einschließlich seiner zu nutzenden Funktionen und deren Aufruf über die I4.0-Kommunikation. Sie ist in einen Header und einen Body untergliedert. Der Body kann mehrere Teilmodelle beinhalten. Die Teilmodelle bestehen aus einem streng einheitlichen Formatbereich und aus einem variablen, Asset spezifischen, Formatbereich.
Beispiele für Teilmodelle der VWS:
- Digitales Typenschild
- Digitale Betriebsanleitung
- Digitale Lebenslaufakte
- MES-Anbindung
…
Ein Asset wird erst durch eine „Unique Identification Number“ in seiner Verwaltungsschale einzigartig und damit zu einer Entität. Durch die oben beschriebenen Rahmenbedingungen können sich MES zu MOM Systemen, sprich kognitiven Assistenzsystemen, weiterentwickeln und „Plug & Produce“ nutzen. Dabei geht es u.a. auch darum von “Execution” zu "Produktionsoptimierung durch Regelung" zu kommen.
Aktuell besteht dabei folgendes Henne-Ei-Problem:
• Die Maschinenhersteller ignorieren die Verwaltungsschale,
weil es noch keine MOM Systeme gibt, die damit arbeiten
• Die Softwarehersteller ignorieren die Verwaltungsschale, weil
es noch keine Maschinen gibt, die eine mitbringen
Meine Erwartungshaltung an die INDUSTRIE 4.0 Plattform ist es, dass es ihr gelingt ein Regelwerk (Data Governance) für die Digitalisierung zu erstellen, an das sich alle Asset Hersteller halten, ansonsten ist für mich der Begriff INDUSTRIE 4.0 für die diskrete Fertigung gescheitert! Dann digitalisieren wir eben weiter wie bisher mit dem üblichen Gefrickel. Wir nennen das dann aber bitte nicht mehr INDUSTRIE 4.0 sondern Gefrickel 4.0! Wir träumen dann auch nicht mehr von „Plug & Produce“ sondern leben weiterhin mit „Plug & Pray“.
Ich arbeite in der ZVEI-Arbeitsgruppe MES „Manufacturing Execution Systems“ im Fachverband Automation mit. Es wurde folgendes Positionspapier erarbeitet und auf der Hannovermesse 2017 vorgestellt:
"MES – Voraussetzung für das digitale Betriebs- und Produktionsmanagement - Aufgabenstellungen und künftige Anforderungen"
Unsere finale Umsetzungsempfehlung wurde 2023
an die Industrial Digital Twin Association
übergeben
und während der Hannovermesse 2023 veröffentlicht.
In diesem Sinne ist auch folgende Normungsroadmap ein
wichtiger Schritt:
https://www.sci40.com/sci-4-0/normungsroadmap/